Mittwoch, 30. Mai 2018

My life on wheels III: Große Freiheit Nr. 1




My first Mofa. Ein gewichtiges Thema. Mit fünfzehn, mitten in der Pubertät, konnte ein Mofa ein wichtiger Meilenstein in der persönlichen Entwicklung sein. Zum einen bot das Mofa die Möglichkeit praktisch jeden Ort dieser Welt motorisiert zu erreichen. Zumindest aber konnte man eine gewisse Distanz zwischen sich und das Elternhaus bringen. Viel wichtiger aber war der Schritt weg vom radelnden Kind hin zum motorisierten Erwachsenen. Die soziale Aufwertung die einem das Mofa innerhalb der Gruppe der Gleichaltrigen einbrachte war vielleicht das Allerwichtigste. Das blöde an dieser sozialen Aufwertung war allerdings, dass sie weitestgehend nur innerhalb der eigenen (männlichen) Geschlechtergruppe funktionierte. Mädchen sind einfach zu klug, um sich von einem Mofa, und sei es noch so cool, über die Unzulänglichkeiten des Mofabesitzers hinwegblenden zu lassen. Nur: Wir wussten das damals nicht. Woher auch? Der Kontakt zum anderen Geschlecht beschränkte sich bei mir auf die Schule und da blieben die Geschlechter weitestgehend unter sich. Mit einigen Mädchen in meiner Klasse habe ich in sechs Jahren Realschulzeit nicht ein einziges Wort gewechselt. Andererseits vermittelte die mediale Umwelt dass der motorisierte Mann eindeutig einen Vorteil bei der Partnerwahl genießt. Vor allem die Marketingabteilungen der Zweiradhersteller verbreiteten diese These recht intensiv. Folgende Formel klang jedenfalls sehr einleuchtend:

Du + Mofa = halber Weg zur festen Freundin

Weitaus komplizierter verhielt es sich allerdings innerhalb der männlichen Pier-Group. Hier wurde differenzierter betrachtet und gewertet. Der reine Besitz eines Mofas war zwar ein Wert an sich, Hersteller und Modell waren aber von ausschlaggebender Wichtigkeit zur Einordnung im sozialen Gefüge. Da konnte es dann schnell passieren, dass das falsche Mofa zu sozialer Ächtung führte.
Hier einige Wertungsbeispiele:

Du + Kreidler Flory 3Gang (mit Sitzbank) = cooler Typ
Du + Kreidler Flory 2Gang (mit Sattel) = ganz OK, immerhin Keidler

Du + Zündapp Z-Modelle = etwa gleichwertig mit Kreidler aber nicht so sportlich

Du + Hercules M5 (2Gang) = solider Typ, kann man nix sagen
Du + Hercules M2 (Automatic) = am Rande des sozialen Abstiegs, aber immerhin Hercules

Du + Vespa Ciao = wird kritisch beäugt, sind ja schnell die Dinger, eigentlich Mädchen Mofa
Du + Peugeot 103 = siehe Vespa Ciao

Du + Velo Solex = Öko Spinner, ist dein Vater Lehrer?

Du + Mars = verpiss Dich mit Deiner Kaufhaus-Schleuder!
Dieses Urteil galt grundsätzlich für alle "Billig-Marken" wie Solo, Mars, Jawa, Batavus etc.

Eine Sondergruppe bildeten Luxus Mofas wie Hercules G3, Zündapp ZD 25 und Kreidler Flott. Die sahen schon nach Mokick aus und waren sehr teuer. Besitzern dieser Gefährte begegnete man mit einer Mischung aus Respekt und leichtem Spott, bedingt durch Sozialneid.

In dieses Klima trat ich nun im Jahre 1980. Ich gehöre übrigens zum ersten Jahrgang der eine Mofa-Prüfbescheinigung machen musste. Zum Erhalt dieser Bescheinigung musste man eine theoretische Prüfung bestehen. Was auch ohne allzu großen Lernaufwand gelang.

Nächster Schritt: Mofa kaufen. Problem: kein Geld. Mein Bruder, der Gute, besorgte mir zunächst leihweise ein Jawa Mofa von seinem Schwiegervater. Die Jawa war unterste Kategorie, siehe oben, aber sie fuhr, zumindest teilweise. Das Mofa war von einem Vergaser- oder Zündungsproblem geplagt und versagte ab und zu den Dienst. Meine anfängliche Begeisterung schwand schnell. Nein. Da musste was Gescheites her. Irgendwie hatte ich 250 Mark zusammengekratzt und stellte die Ohren auf, ob es für diesen Preis etwas zu kaufen gäbe.

Jawa: Eingeschränkt diensttauglich

Nun passierte mir etwas, das mir auch danach noch das ein oder andere Mal wiederfahren sollte: Das Habenwollen siegte über jedwede Vernunft. Ein Klassenkamerad - nein "Kamerad" ist hier der falsche Begriff, sagen wir: ein Mitschüler besaß eine... tja, es ist schwer zu sagen was es war. Laut Papieren war es eine Hercules HR2, optisch war es das, was man heute ein Custom Bike nennen würde. Leider, leider gibt es kein Foto von dem Gefährt wie es aussah als ich es kaufte, daher muss ich das Desaster in Worte fassen. Zunächst, möge der geneigte Leser einen intensiven Blick auf das Foto werfen, welches am Anfang des Posts steht. Dort ist zu sehen was wir, vornehmlich mein Bruder und ich, daraus gemacht haben.

Die Hercules war hellblau-metallic, hatte eine Flory Sitzbank, hinten ein extrem gekürztes Schutzblech, vorne ein kleineres Schutzblech. Wirklich angetan hatten es mir die siebenspeichigen Gußfelgen und - ganz wichtig - das Kreidler-Zündschloss im Seitendeckel! Auf den ersten Blick, mit Sonnenbrille und zusammengekniffenen Augen sah das Ding echt fancy aus. In wilder Liebe entbrannt, zahlte ich meinem Mitschüler die 250 Mark. Später hat er sich in meinem Beisein darüber lustig gemacht wie toll er mich verarscht hat. Die Mutter aller Arschlöcher ist eben immer schwanger.

Aber, Ehre wem Ehre gebührt, ich war auch premium blöd. Soviel dazu.

Der reale Marktwert von dem Mofa dürfte bei 100 Mark gelegen haben, unter Freunden 50. Ich stellte sehr schnell nach dem Kauf fest, dass ich einen Haufen Müll erstanden hatte. Zwar bewegte sich das Teil und bremste aber das war auch alles. Als schlimmster Mangel stellte sich später heraus, dass der Rahmen zwischen Sattelstütze und Stoßdämpferaufnahme angebrochen war.

Außerdem war das Fahrzeug ein Hybrid aus mehreren verschiedenen Mofas. Von der in den Papieren genannten Hercules HR2 "Hobby Rider" war nur noch der Rahmen und der Motor übrig.
Räder, Stoßdämpfer und vorderes Schutzblech stammten von einer Hercules G3, ebenso die Schwinge, daher der zu lange Radstand. Die Gabel stammte wahrscheinlich von Peugeot, die Sitzbank von einer Flory, der Tank von einer Hercules M5, der Bullhorn-Lenker war Zubehör. Der Vorbesitzer hatte diese Teile garantiert nicht im Fachhandel erworben. Sie wissen was ich meine.

Hercules Hobby Rider, die Basis und Hercules G3 der Teilespender


Was tun? Mein Bruder half mir mal wieder aus der Patsche. Zunächst wurde das Mofa zerlegt. Die Bestandsaufnahme war niederschmetternd. Rahmen gebrochen, Sitzbank und Vorderblech mehr oder weniger nur am Mofa festgebunden, die Gabel war krumm, der Gepäckträger fehlte, hinteres Schutzblech unbrauchbar, Reifen: Müll.

Ein Bekannter meines Vaters besaß ein Schweißgerät (eine absolute Sensation, damals), und schweißte die Bruchstelle am Rahmen. Dann ging es an die Teilebeschaffung. Eine passende Gabel und ein Sattel wurden beim örtlichen Zweiradhändler gebraucht gekauft, ebenso neue Reifen (Schwalbe Power Tread mit weißer Schrift: geil!) Schutzbleche und Gepäckträger montierte ich von einer Mofa-Leiche im nahe gelegenen Wald ab. Ist es eigentlich doppelt strafbar wenn man von einem schon gestohlenen Mofa Teile stiehlt?

Nun ging es an den Zusammenbau. Naturlich hatten alle Teile unterschiedliche Farben also musste auch lackiert werden. Der Traum eines jeden Adoleszenten Ende der Siebziger war die Hercules Ultra 50, absolut geil und vollkommen unerschwinglich (3700 DM Kaufpeis + 1200 DM Versicherung p.A.).
Und ich hatte ja die coolen Gußfelgen also sollte meine Hercules ein Ultra look-alike werden.

Geil, geil, geil und teuer, teuer, teuer

Es wurde also eine kleine Dose Herbol Feuerrot gekauft und dann habe ich alles wunderschön rot angestrichen!  Wie durch ein Wunder ließ sich alles wieder zusammenfügen. Das Wunder trägt den Namen meines Bruders, ich meine mich zu erinnern, dass er ganz schön geflucht hat. Und das Ding fuhr! Ganz gut sogar. Zunächst ca. 30 km/h. Später besorgte ich mir einen KTM Krümmer der etwas dicker war als der sog. Spaghetti-Krümmer, damit ließen sich dann 35 km/h erreichen. Den großen P3-Krümmer vom (sonst baugleichen) Moped traute ich mich nicht zu montieren. Damit wäre man bei der Rennleitung unangenehm aufgefallen. Vom Tuning ließ ich sowieso die Finger, eu ahnungslos, zu teuer, sowohl in der Anschaffung als auch juristisch. Die Polizisten jener Zeit waren gut geschult darin Tuningmaßnahmen zu erkennen. Andere hat das nicht abgeschreckt. Ich erinnere mich an einen Schüler aus den höheren Klassen der mit seiner Hercules M5 im Windschatten des Linienbusses an die 70 km/h schaffte.

Wenn man weiß wer das Vorbild ist...


Mit der Hercules bin ich durchaus auch weitere Strecken gefahren z.B. zu meiner Tante ins Bergische, immerhin fast 60 km. Dennoch war sie eher das Spielzeug eines großen Kindes (hat sich ja bis heute nicht geändert bei mir). Wirklich gebraucht habe ich sie nie. Zur Schule oder später zu meiner Ausbildungsstelle bin ich immer mit den Öffentlichen gefahren. Dennoch hat sie mir das Gefühl von Freiheit und Ungebundenheit gegeben. Außerdem habe ich dazugehört, zu den Mofa-Jungs. Rangmäßig unteres Mittelfeld, aber immerhin. Der Motor hat mich nie im Stich gelassen, was bei der Geschichte des Fahrzeugs als das eigentliche Wunder gelten muss. Er hat zwar immer wie Sau mit den Kolbenringen geklappert, aber nie den Dienst versagt. Ich erinnere mich, dass sich die Schrauben des hinteren Ritzels mal gelöst haben, weil der Vorbesitzer der Einfachheit halber auf Sicherungsbleche verzichtet hatte. Das führte dann zu einer Vollbremsung bei voller Fahrt, da sich eine abgefallene Mutter in der Bremse verkeilt hatte. Mit der Zeit gab auch die Schwingenlagerung auf, was dazu führte das des öfteren die Kette absprang.

Aber da hatte ich schon mit Verspätung  den Führerschein 1B gemacht und stieg dann (nur kurz) auf die von meinem Bruder übernommene DKW Hummel um. (Was definitiv zwei andere Geschichten sind).

Die Hercules wanderte in den Schuppen und setzte Staub an. Irgendwann versuchte ich die Schwingenproblematik mit einer originalen, kürzeren Schwinge zu lösen, aber dann passten die G3 Stoßdämpfer nicht mehr. Schließlich verkaufte ich das Mofa für 70 Mark an einem Bastler aus dem Nachbarkaff. Ich wage zu bezweifeln ob er sie je wieder ans Fahren brachte.




Während ich dies schreibe und Korrektur lese kommt mir der Gedanke, dass es doch nett wäre einmal ein Replika diese Ultra-Mofas zu bauen. Diesmal aber mit vernüftiger Basis. Ein Hercules P3 Moped mit G3 Felgen. Einen Bullhorn Lenker habe ich noch im Keller. Mal sehen was ebay Kleinanzeigen so hergibt...






Dienstag, 29. Mai 2018

My life on wheels / Nachtrag zur Einleitung: Der Nebendarsteller

Dies ist ein Nachtrag zur Einleitung meiner automobilen Memoiren. Dort habe ich geschrieben dass es von dem VW 1303 den ich einst mein Eigen nannte keine Bilder gibt. Ein Irrtum wie ich beglückt feststellen durfte. Und das kam so:

Neulich war ich auf dem sechzigsten Geburtstag meines alten Freundes Axel. (Mein Gott sind wir echt schon so alt? Ich kann mich noch gut an den dreißigsten erinnern!). Frau und Töchter hatten zur Deko der Feier die ganze Wohnung mit alten Fotos tapeziert, darunter auch Folgendes:



Am Steuer des Alfas sieht man mich, der lässige Typ daneben ist Axel. Und im Hintergrund, seinen fauligen Kotflügel präsentierend, steht mein orangener VW 1303! Man stelle sich meine Freude vor als ich den Käfer im Hintergrund des Bildes entdeckte. OK, die Leute auf der Party haben mich schon ein wenig irritiert angeschaut, als ich jubilierend mit dem Foto herumlief. Axel war so freundlich mir das Bild zum Scan zur Verfügung zu stellen.

Das Foto ist aufgenommen im Innenhof eines Gutshofs in unserem Dorf. Heute ist das eine Luxus-Wohnanlage, damals war die Wohnung im Herrenhaus ein billige Studentenbude und Ort zahlreicher Parties. Der Alfa gehörte dem Mieter der Wohnung und ich durfte fürs Foto mal Platz nehmen, gefahren bin ich ihn nie. Das Auto war damals schon im Endstadium, aber soweit ich weiß harrt er immer noch irgendwo in einer Garage seiner Wiederauferstehung.

Der 03 war in meinem automobilen Lebenslauf das, was er auch auf diesem Foto ist: Ein Nebendarsteller. Mein 61er Käfer war zu dieser Zeit außer Gefecht zum lackieren und so "vermietete" mir ein Freund eines Freundes den 03 für ein paar Wochen. 100 Mark habe ich dafür gezahlt, was in etwa einem Achtel des Gesamtwertes des Fahrzeugs entsprach. Der Besitzer hat das, denke ich, anders gesehen, zumindest hat er damals durchblicken lassen dass es eine große Gnade von ihm war mir seinen wertvollen Klassiker zu leihen. Ich erinnere mich, dass es nach der Rückgabe noch eine Diskusion bezüglich einer beschädigten Türschachtdichtung gab. Hatte ich doch die Unverfrorenheit besessen bei Fahrt mit offenem Fenster den Arm auf der Dichtung ab zu legen. Dabei war das vollkommen poröse Teil zerbrochen. Eine Eigenschaft die man Gummi zunächst nicht zutraut. Ich musste dann aber letztlich keinen Schadenersatz an den Besitzer leisten. Er wird aber garantiert nie wieder ein Auto leihen.

My life on wheels II: Veloziped

Dieser Post wird sich mit meinen Fahrrädern auseinandersetzen. Ich bin kein glühender Fahrradfreund, aber von allen zur Disposition stehenden sportlichen Tätigkeiten war das Radfahren stets eine der wenige die mir Spaß gemacht haben. In den prä-motorisierten Abschnitten meines Lebens bot das Fahrrad auch eine erhebliche Erweiterung der persönlichen Freiheit. Ich bin hunderte Male ins benachbarte Städchen geradelt um das Angebot des dortigen Spielwaren und Modellbauhändlers zu checken.

Mein allererstes Kinderfahrrad ist ein Fahrzeug an welches ich eher schmerzliche Erinnerungen habe. Mein Bruder hatte es auf dem Sperrmüll gefunden und mich damit beglückt. Jedoch brach nach kurzer Zeit die Gabel am Steuerkopf ab und das Fahrrad wurde als irreparabel wieder entsorgt. Am meisten erinnere ich mich an die Enttäuschung das coole Ding wieder abgeben zu müssen. Da sind bestimmt Tränen geflossen.

Ein kurzer Moment des Glücks

Diesem Fahrrad folgte ein 20" Kinderrad, gebraucht, keine Ahnung woher das kam. Mit diesem Rad bin ich mal böse gestürzt und rammte mir dabei den Bremsgriff in den Oberschenkel. Musste mit fünf Stichen genäht werden. Das Fahrrad ist Geschichte, die Narbe habe ich heute noch.

Dem folgte, zu Ostern 1974 glaube ich, mein erstes Neu-Fahrzeug: ein 24" Jugendrad in Bordeaux Rot, was auch so ziemlich alles ist woran ich mich erinnere. Jedenfalls taugte dieses Rad schon für richtige Rad-Touren mit meinen Eltern und besagte Ausflüge in den Speilzeugladen.

Im Zenith meiner Kindheit, an der Schwelle zur Pubertät begehrte ich dann aber ein "richtiges" Fahrrad. Minimum 28", darunter wollte ich es nicht mehr tun. Es wurde dann, nachdem ich meine Eltern ausgiebigst genervt hatte, ein HWE Sportrad in gelb metallic. Leider gibt es von diesem Fahrrad keine originalen Fotos und auch im Web musste ich sehr lange suchen bis ich etwas entsprechendes gefunden habe.

 
So in etwa..

Das sagt übrigens einiges über die Qualität dieses Fahrrades aus. Exemplare dieser Art sind einfach verschwunden von dieser Welt weil sie schlicht verschlissen sind. Obwohl mit 300 DM nicht billig, war die Qualität dieses Fahrrades, an heutigen Maßstäben gemessen, schlecht. Wenn man sich heute für 299 Euro ein Fahrrad bei Aldi kauft (nein, den doppelt-so-teuer-Vergleich lasse ich nicht gelten) bekommt man etwas Besseres. HWE (Heidemann Werke Einbeck) war ein deutscher Hersteller und auch alle Komponenten am Rad waren deutscher Provinienz: Lampen von Union, Sachs Torpedo Nabe, Magura Bremsen, Felgen garantiert von Weinmann. Aber irgendwie war das alles auf der letzten Rille zusammengeschustert. Als erstes verabschiedete sich der schicke Scheinwerfer auf dem Schutzblech. Das dünne Alu war den Hebelkräften des Lampenfußes nicht lange gewachsen. Die Pedale knarzten nach kurzer Zeit und irgendwann gab auch die Gabel auf. Als ich es neu bekam war ich natürlich stolz wie Oskar. Dass das Rad "nur" eine Dreigangnabe hatte, empfand ich eher als Vorteil, weil ich Zeuge werden durfte wie meine Klassenkameraden mit ihren Zehngang Kettenschaltern kämpften. Immer dieses Rumgemurkse mit den fipsigen Stellhebeln die dazu noch so bescheuert am Unterrohr befestigt waren. Noch mehr bemitleidete ich die Dummköpfe die sich Fahrräder mit Rennradlenker hatten schenken lassen. Die konnten dann wählen zwischen Nackenstarre oder sie mussten sich zum Bremsen jedes mal bücken. Da war der "französische" Lenker an meinem Rad schon besser. Und der Rücktritt bremste auch gescheit! Dieses Fahrrad begleitete mich bis in die 90er. Es wurde mir schließlich in Wuppertal aus dem Hinterhof geklaut. Was mit Sicherheit damit zusammenhing, dass ich es mit einem Hochsicherheits-Zahlenschloß für fünf Mark abgeschlossen hatte.

Dem HWE folgten ein Baumarktrad und ein Kettler "Daxi", beide nicht wirklich der Rede wert. Das eine wurde gestohlen (aus dem Keller im Mietshaus) das andere an den Nachbarn verkauft.

1999 kaufte ich mir ein gebrauchtes MARIN "Team Marin" Mountainbike. Ein Kommilitone von mir hatte mit Marin Fahrrädern gehandelt und daher hatte der Name einen guten Klang in meinem Ohr.
Nur: Das Marin ist eigentlich ein reines Sportgerät, ich benötigte ein eher paktisches, alltagstaugliches Fahrrad. Zudem ist der Rahmen des Marin viel zu lang für meine Körpergröße. Das führte dazu, dass mein Fahrrad einige An- und Umbauten erhielt, welche den sportlichen Charakter des Rades doch sehr schändeten. Ein Porsche mit Dachbox und Anhängerkupplung sozusagen. Andererseits entstand so ein wirklich solides Gefährt welches mir bis heute gute Dienste leistet.

Team Marin: Gezähmtes Rennpferd

In den frühen 2000ern legte ich mir einen Fahrrad Oldtimer zu: ein 1951er Vaterland Herren Sportrad. Vaterland in Neuenrade, Sauerland verfolgte ein interessantes Marketingkonzept. Vaterland Räder konnte man ausschließlich über einen Katalog bestellen. So konnte man sich ein maßkonfektioniertes Fahrrad zusammenstellen mit allen möglichen Extras bis hin zum mit Monogramm versehenen Rahmen. Mein Vaterland ist ein Modell der gehobenen Mittelklasse: farbig lackiert, mit Alu Schutzblechen, Rigida Felgen, Kilometerzähler an der Radnabe,  Sachs Rücktrittnabe UND 3-Gang Kettenschaltung.
Das Rad hatte sogar eine gefederte Sattelstütze. Mit diesem Rad hatte ich jedoch das umgekehrte Problem wie mit dem Marin, der Rahmen ist zu klein für mich. Also musste ich auch hier Umbauten vornehmen: Eine höhere Sattelstütze, höheren Vorbau und - für den Komfort - ein Brooks Sattel. Im Vergleich zu meinem HWE ist dieses Rad von hervorragender Qualität. Ein schöner Cruiser mit dem ich schon sehr nette Oldtimer Touren unternommen habe.

'51 Vaterland Sportrad

Zum Vaterland gesellte sich noch ein 1959er NSU Sportrad, welches ich für sage und schreibe 2 DM bei ebay ersteigert hatte. Durch intensives Putzen und 150 DM Investition machte ich daraus einen ansehnlichen Patina-Looker. Das fahren war aber eher anstrengend auf diesem Rad, da es sehr lang übersetzt war.  Daher stand es lange bei uns im Hausflur als Dekostück. Als die Anschaffung der Kreidler RS ins Haus stand habe ich es verkauft.

'59 NSU Sportrad, mit verbotener "Sturmklingel"

Ich muss zugeben, meine Liebe zum historischen Fahrrad ist etwas abgekühlt, eine Folge meiner intensiveren Beschäftigung mit meinem motorisierten Altmetall. Das Vaterland steht gut abgedeckt in der Garage und harrt der nächsten Cruiser Tour.

Die beste Frau von Allen hat sich 2016 ein E-Bike (korrekt: eine Pedelec) angeschafft, was dazu führte dass sie vom Fahrradmuffel zur begeisterten Radlerin mutierte. Das habe ich mir eine Zeit lang angesehen, zunächst überzeugt ich sei noch zu jung für ein solches Rentnergerät. Ein Urlaub in den Bergen belehrte mich aber eines Besseren. An einem Tag mieteten wir Pedelecs und machten eine sehr ausgedehnte Tour durchs Alpenvorland. Das E-Bike ermöglichte mir plötzlich Strecken, bzw. Steigungen zu meistern welche ich vorher nicht einmal im Traum in Angriff genommen hätte. Sehr zu Verdruss der harten Jungs mit ihren "richtigen" Fahrrädern kommen plötzlich auch übergewichtige Weicheier wie ich in den Genuss von Passfahrten. Das nenne ich Demokratie durch Technik. Gut, nun lebe ich ja im Flachland. Passfahrten sind hier eher nicht zu bewältigen. Und mit dem Marin bin ich eigentlich immer gut ausgekommen. Ich musste mir also eine ausgeklügelte Selbstindoktrination verpassen um die nicht ganz billige Anschaffung eine E-Bikes vor mir selbst zu rechtfertigen. Meiner Frau brauche ich da nichts zu erzählen, die ist zu schlau um auf meine Milchmädchenargumentationen zu hören. Und weil sie eben die Beste von Allen ist, hat sich mich gewähren lassen. Um es auf den Punkt zu bringen: E-Bike fahren ist auch im Flachland geil! Bei kurzen "Geschäftsfahrten" volle Unterstützung rein und schnell ans Ziel geflitzt, das ist wie Mofa fahren. Auf längeren Touren erstmal ohne Unterstützung losfahren und wenn der Arsch anfängt weh zu tun oder der Gegenwind pustet, mit halber Kraft unterstützen. Man ist nicht schneller, aber weniger angestrengt. Man muss natürlich den leisen Spott von Standhaften und Unwissenden aushalten können, denn noch tendiert das Image des E-Bikes in Richtung Versehrtenhilfe aber das wird sich bald ändern. Ich habe einstweilen meinen Spaß damit.

Neu im Zoo: Specialized turbo Pedelec




Sonntag, 15. April 2018

Monogram Triumph TR7 "The Wedge"

Heute zum ersten mal was zum Thema Modellbau. Irgendwie auch ein Nebenstrang von "My life on wheels".

Ich betreibe seit meiner Kindheit Plastik-Modellbau, mit einer PAUSE zwischen 14 und 18 Jahren, da waren Mofas, Mädchen, Zigaretten wichtiger. Meinen ersten Bausatz kaufte ich mir von meinem "Kommunionsgeld". Den Volks-Royce von Revell, für 13,95 Mark.

Mit neun Jahren scheiterte ich kläglich an diesem Modell, was sicher an meinen bescheidenen Fähigkeiten, aber auch an der haarsträubend schlechten Qualität der Revellbausätze zu dieser Zeit lag. Passgenauigkeit war eher Zufall...

Aber um den Volks Royce soll es hier gar nicht gehen. Gegenstand dieses Posts ist der Triumph TR7 "The Wedge" von Monogram. Diesen Bausatz baute ich mit etwa 13 Jahren. Meine Fähigkeiten hatten sich verbessert und Monogram - damals noch selbstständige Konkurrenz von Revell - stellte wesentlich bessere Produkte her.


Also gelang es mir ein Modell zusamenzubauen welches dem linken Schachtelfoto relativ ähnlich sah: Die Karosse war in gelbem Kunststoff gegossen, das Dach hatte ich schwarz gepinselt, das Interior braun, Decals drauf, fertig.


Frühwerke um 1980, allesamt verloren.

 Dieses Modell ging irgendwann den Weg alles irdischen, ich weiß nicht wo es abgeblieben ist, eine Felge samt Reifen besitze ich noch davon. Den im Bild rechts abgebildeten Bausatz baute ich nach der PAUSE um 1986 herum. Der Bausatz ist im Prinzip der gleiche, ein paar Zusatzteile (Spoiler), andere Felgen und Decals lagen bei. Natürlich baute ich den TR nicht als fake-racer (welcher Rennwagen hat schon ein Vinyldach) sondern als eleganten Sportwagen. Wer über das Vorbild mehr erfahren möchte, lese bitte hier nach. Ich kann nur sagen: das Auto galt damals schon als kuriose Gurke. In den USA trug er den Spitznamen "The Wedge", der Keil. Der Grund warum ich den Bausatz nochmal baute, lag vermutlich in meiner nostalgischen Veranlagung. Ich hatte positive Erinnerungen an das Teil.


Diesmal wandte ich schon etwas fortgeschrittenere Technik an: Lackiert wurde aus der Spühdose, Dach und Interior wurden in unterschiedlichen Brauntönen gepinselt, die Felgen schwarz abgesetzt. Absoluter Top-Effekt zu der Zeit, waren die mittels Tuschefüller geschwärzten Fugen.

Das Modell begleitete zum Studium nach Wuppertal, der aparte Alt-Weiß Ton entstand über die Jahre durch intensive Nikotinzufuhr. Nachdem ich wieder nach Köln gezogen war verschwand er irgendwann in der "Archiv-Kiste". Und da hat er nun sicher 20 Jahre gelegen.
Irgendwann auf einer tranigen Fahrt aus den Büro nach Hause fiel mir das Modell wieder ein, weiß der Himmel warum. Möglicherweise weil es ein Kandidat war um Dowanol (Dipropylenglycol-phenylether) auszuprobieren. Ich hatte in einem Modellbauforum gelesen, dass Dowanol ideal als Entlackungsmittel geeignet sei.

Eine zwanzigminütige Suchaktion auf dem Dachboden brachte den TR7 wieder zum Vorschein. An der Heckpartie zeigte er Auflösungserscheinungen, die Nebellampen vorne fehlten, aber sonst stand er ganz gut da. Besser als ich ihn in Erinnerung hatte, aber dennoch: das geht besser heute.


 Zunächst wurde das Fahrzeug zerlegt. Keine große Kunst, da Karosse und Chassis nur zusammengesteckt sind. Auch die weitere Zerlegung in die wenigen Einzelteile gelang weitgehend Zerstörungsfrei.



Bei näherer Begutachtung musste ich doch feststellen, dass die Qualität meiner Arbeit eher lässig, bestenfalls ergebnisorientiert war. Da geht mehr, viel mehr. Ein weiterer interessanter Aspekt an diesem Projekt ist, dass die Karosserie relativ aufwändig zu lackieren ist, wenn man es vorbildgetreu tun möchte. Da ich mich bezüglich Arbeiten mit der Airbrush immer noch in der Lernphase befinde also eine Herausforderung. Zunächst aber wurde das Experiment "Entlacken mit Dowanol" gestartet.


Alle mit Farbe versehenen Einzelteile wurden in einen Gefrierbeutel gepackt und gut drei Schnapsgläser Dowanol dazu gegeben. Schütteln. Eine Stunde warten. Danach ließ sich der größte Teil der Farbe noch durch die Plastikfolie mit dem Fingernagel sanft vom Kunststoff schieben, wie ein angelöstes Decal. Die Innenauststattung, handgepinselt mit Revell Enamel Farbe musste mehrere Stunden einweichen, aber dann ließ auch sie sich reinigen. Lack in den Fugen ließ sich mit einem spitzen Zahnarztwerkzeug herauslösen.



Das Dowanol greift die Oberfläche des Kunststoffs an, macht ihn spröde, ohne ihn jedoch anzulösen.
Die ursprünglich schwarze, glatte Oberfläche war nach der Behandlung gräulich bis weiß. Die Karosserie wurde anschließend mit 2000er Tamiya Schleifschwamm wieder geglättet. Ein insgesamt sensationelles Ergebnis! Die Wiederaufarbeitung konnte beginnen.


Nach der Entfernung der alten Farbe wandte ich mich zunächst dem Interior zu. Das plüschige Beige machte einem eher sportlichen Schwarz Platz. Zuvor hatte ich die Einzelteile einer gründlichen Entgratung und der Entfernung von Gußmarkern unterzogen.

Vorher...


Nachher...

Am bisher unbehandelten Unterboden wurden alle Details, außer der gelben Farbe natürlich, mit dem Pinsel aufgetragen. Anschließend erhielt das Ganze noch ein "washing" für den Used-Look.

Vorher...

Nachher...

Karosserie vor der Detailierung.

Wie schon erwähnt stellte die Lackierung eine besondere Herausforderung für mich dar. Da die Zielfarbe gelb war, galt es zunächst die schwarze Karosserie weiß zu grundieren. Dann wurden die Fugen und Türspalte mit sehr dünnflüssiger Farbe, sog. "Wash" geschwärzt. Wenn man dies vor der Decklackierung macht dann wird der Kontrast wieder ein wenig abgemildert. Dann wurde das ganze nass geschliffen und durchgeschliffene Stellen nochmal nachgrundiert. Es folgte der gelbe Decklack. Helle Farben, so musste ich feststellen sind erheblich schwerer zu verarbeiten als dunkle. Es sind einfach mehr Schichten nötig und je mehr Schichten desto mehr kann schief gehen.

Die von mir verwendeten Valejo-Farben sind grundsätzlich seidenmatt also musste nach dem Durchtrocknen noch eine Klarlackschicht (bzw. mehrere davon) aufgetragen werden. Hierzu verwendete ich Tamiya Klarlack. Mit diesem Lack habe ich bezüglich Glanz bessere Erfahrungen gemacht als mit dem entsprechenden Valejo Produkt.

Als letztes wurde alles was gelb bleiben soll sauber abgeklebt und dann (Vinyl-)Dach, Schweller, Front und Heck seidenmatt schwarz gebrusht. Besonders wichtig war mir dabei der Erhalt der gelben Fensterrahmen der Türen. Das Original hat das auch so, und dieses Detail erhielt beim Abkleben mein besonderes Augenmerk. Allerdings musste ich feststellen dass ich diesen Arbeitsgang nach der Klarlackierung zu schnell, nach 24 Stunden, angegangen war. Das Maskingtape hinterließ im noch zu weichen Klarlack nach dem Abziehen eine deutlich sichtbare Orangenhaut. Aber es geschah ein Modellbauwunder! Ich ließ die Karosserie zwei Wochen ruhen und mit dem Durchtrocknen zog sich der Klarlack fast vollständig wieder glatt. Schwein gehabt.

Als Nächstes wurden die glänzenden Flächen poliert, was eigentlich vor dem schwarzen Farbauftrag hätte passieren müssen. Hab ich mal wieder nicht aufgepasst. Der Heckdeckel hatte ein wenig Zellulitis und wurde daher SEHR vorsichtig mit 3000er Schleifschwamm angeschliffen. Die Politur erfolgte mit Auto-Lackreiniger. Ich werde in Zukunft aber entsprechende Modellbauprodukte von Tamiya benutzen. Damit lassen sich auf jeden Fall bessere Ergebnisse erreichen. Die schwarzen Bereiche außer dem Dach wurden nur mit dem Poliertuch ohne Zusätze auf Rallye-Seidenglanz-Schwarz gebracht.


Der letzte Schritt vor der Montage war die Detaillierung. Der vordere Scheibenrahmen wurde Chromlack-Edding versilbert. Hier wäre auch Bare-Metal-Foil (BMF) gegangen (oder sogar besser gewesen) aber ich war zu faul. Die Blinker seitlich und vorne wurden mit Chromlack vorgemalt und dann mit Tamiya transparent Orange gefärbt. Entsprechende Produkte von Revell taugen übrigens nichts. Die Heckleuchten wurden mit BMF unterlegt, die Gläser mit Klarlack aufgeklebt und dann ebenfalls mit Transparentfarben gefärbt. Die Nebellampen stammen von einem Fujimi-Porsche und erhielten NATÜRLICH gelbe Gläser. Nebels müssen gelb sein! Die Türgriffe und das Kofferschloss wurden schwarz mit chromigen Details angelegt.



Die Felgen wurden in Farbton "Stahl" gebrusht. Früher habe ich Felgen gewöhnlich mit dem Pinsel bemalt, der Einsatz der Airbrush lohnt sich hier aber doch sehr.


Der Zusammenbau ging dann recht fix vonstatten, bei den wenigen Baugruppen kein Wunder. Die Stoßfänger sauber zu fixieren war ein wenig fummelig. Hier kam Patex 2K-Kleber zum Einsatz. Ebenso wie bei der Fixierung des (etwas zu großen) Porsche Rückspiegels. Die Kennzeichen sind selbstgedruckt, TÜV und ASU Plaketten mit Buntstift eingefärbt. Die Schilder werden mit einer minimalen Menge Klarlack an die Karosse geklebt.

Fazit. Nach über 20 Jahren auf dem Dachboden ist es mir, Dank Dowanol, gelungen aus einer Archivleiche einen netten Vitrinenparker zu machen. Nicht perfekt - wie immer - aber doch ganz gut gelungen. Wenn ich die Dinger perfekt hin bekomme, gebe ich das Hobby auf.



Donnerstag, 12. April 2018

My life on wheels I: Der große Bruder


1965 wurde ich als drittes Kind mit zehn, bzw. dreizehn Jahren Abstand zu meinen älteren Brüdern geboren. Seit früherster Kindheit, praktisch seit ich „Mama, Papa, Auto.“ sagen konnte, bin ich von allem fasziniert was Räder hat. Nicht ganz unschuldig daran ist mein "mittlerer" Bruder Martin, musste er sich doch häufig um mich kümmern. Mein Vater arbeitete Schicht bei Bayer, war also wenig präsent, meine Mutter hatte alle Hände voll zu tun den Haushalt zu führen. So entwickelte sich Martin zu einer sehr wichtigen Bezugsperson für mich. Es ist also kein Wunder,  dass er mich als Kleinkind schon mit den damals für ihn wichtigen Themen infizierte. Wofür interessierte sich mein Bruder damals? Oldtimer, hauptsächlich Vorkriegsfahrzeuge. Auto-Modellbausätze. Seine Carrera-Bahn. Mit fünfzehn dann Mofas, später Mopeds. Mit Sicherheit hatte mein Bruder noch andere Interessen, die vorgenannten aber blieben mit großer Hartnäckigkeit an mir kleben. 

Um 1970.

Für eines interessierte sich mein Bruder nicht: Fußball. Ganz im Gegensatz zu meinem Vater, der glühender Fußballfreund war. Auch dieses Desinteresse habe ich mit meinem Bruder gemeinsam. Wobei ich aber glaube dass meine Abneigung gegen Fußball einen anderen Grund hat. Samstags frühabends liefen im ZDF immer interressante Fernseh-Serien: Daktari (ab 1969), SOS-Charterboot (1972), Raumschiff Enterprise (1972). Aber mein Vater wollte natürlich die Bundesliga (nachdem er sie den ganzen Samstag Nachmittag im Radio verfolgt hatte) in der ARD-Sportschau sehen. Meine Erinnerung sagt mir, dass dieser Interessenkonflikt stets zu Gunsten meines Vaters entschieden wurde. Was nicht der Fall gewesen sein kann, weil ich mich ebenso erinnere, dass ich diese Serien tatsächlich gesehen habe. Wie auch immer: Fussball ist nicht mein Ding. 
Wenn meine Frau und mein Sohn heutzutage bei den großen Turnieren (EM / WM) vor der Glotze mitfiebern werde ich immer weggeschickt: "Geh, fahr mal ne Runde Moped."

Hier ist alles zu sehen was bei Daktari wichtig war.

 

Zurück zum Thema: Mein Bruder setzte in mir die Keimlinge der Hobbies welche mich heute noch fesseln.

Automobil im Allgemeinen, Oldtimer im Speziellen:
Mein liebstes Bilderbuch war Paul Simsas „Dies alles fuhr auf unseren Straßen.“ welches mein Bruder sich von seinem Taschengeld geleistet hatte.  In diesem, 1969 erschienen, Buch dokumentiert Simsa die kuriosen Fahrzeuge welche in den Nachkriegsjahren in Deutschland herum fuhren. Kleinstwagen, Eigenbauten, Vorkriegsautos die "überlebt" hatten. Ich besitze dieses Buch heute noch (als Dauerleihgabe meines Bruders) und blättere es immer wieder gerne durch. Für alle Interessierten: Es gibt eine Wiederauflage aus 2011, wer googlet findet sie.



Mein Bruder schenkte mir auch, um 1980 herum, das wichtigste Autobuch von allen: Werner Oswald, "Deutsche Autos von 1945 bis 1975". Diesen Schatz an technischen Daten und Bildmaterial nehme ich immer noch regelmäßig zu Hand. Autos die in diesem Buch nicht verzeichnet sind, braucht man nicht. Wichtig an Autos war immer: sie mussten irgendwie "von früher" sein. 

Außerdem gab es da noch diesen Stapel von auto motor und sport, welcher im Zimmer meines Bruders im Regal unter der Fensterbank lagerte. Das waren etwa 50 Zeitschriften, vorwiegend aus den späten 60ern bis frühen 70ern. Darin habe ich oft und lange geschmökert, wobei das schmökern weitestgehend aus Bilder anschauen bestand. Mit zwölf begann ich dann die ams selbst zu kaufen und nun auch wirklich zu lesen. Wirklich regelmäßig waren diese Käufe nicht, aber es müssen doch einige Hefte gewesen sein. In den Neunzigern habe ich mir 30 Jahrgänge ams, beginnend 1963, gekauft. Und wenn ich mein Archiv heute durchgehe gibt es doch ziemlich viele Titel von denen ich sagen kann, dass ich sie mir vom Taschengeld gekauft hatte. Bis in die achtziger Jahre zierten die ams noch prägnante Titel, welche sich auch über Jahre in meine Hirnrinde eingebrannt haben. Mit heutigen Heften kann das leider nicht mehr gelingen. Mal ganz im Ernst: welcher Zwölfjährige findet denn SUVs interessant?


Buchmann turbo-targa: was für ein Kracher!

Carrerabahn:
Mein Bruder besaß eine Carrerabahn, eine 132 Universal. Ich erinnere mich an dieses Spielzeug nur noch sehr schemenhaft, ich weiß, er hatte einen blauen E-Type mit Licht. Er verkaufte seine Bahn als ich vier war: das erste Mofa musste her. Als das Thema für mich aber relevant wurde, 1973, sorgte er mit seinem Sachverstand dafür dass ich die "professionellere" Carrera 124 zu Weihnachten bekam. Es war die damals größte Grundpackung "Targa Florio" und Martin hatte auch dafür gesorgt dass die Grundpackungsautos Porsche 906 und Ferrari Dino gegen hochwertigere Autos mit Lexan-Karosse getauscht wurden: Ein Porsche 917 und ein Ferrari 512S. 

 
Man beachte die Startnummer des Ferrari!
Im Laufe der Zeit kamen noch ein BMW 3,0 CSL und ein BMW turbo hinzu. Über mehrere Jahre war dies, neben der elektrischen Eisenbahn, eins meiner liebsten Spielzeuge. 
Aber 1978 verschoben sich meine Prioritäten in Richtung einer Stereo Anlage (in Wahrheit ein Plattenspieler mit zwei Lautsprechern). Um dieses Wunderwerk der Phonotechnik gebraucht erwerben zu können verkaufte ich meine Carrera Bahn. Ich Idiot! Natürlich genoß und benutzte ich mein Stereogerät ausführlich, aber schon bald begann ich meinem Rennspielzeug hinterher zu trauern. Heute ist das Thema Carrerabahn nicht mehr so raumgreifend in meinem Hobby-Kosmos, aber ich besitze immer noch eine Rennbahn (allein schon wegen meines Sohnes). Wie sich dieses Hobby entwickelte soll aber der Gegenstand eines zukünftigen Posts sein.


Modellbau:
Auf dem sideboard meines Bruders aufgereiht fand sich seine beeindruckende Sammlung von Modell-Oldtimern. Hauptsächlich waren das Monogram oder Jo-Han Bausätze. Mercedes SSK, 500K, 540K, Bugatti 35B und Royale, Rolls Royce, Cadillac und Duesenberg. Diese Modelle waren sein ganzer Stolz, anfassen war bei Strafe verboten! 
Meines Bruders Stolz: Bugatti 35B und wahrschienlich ein Lincoln, beide von Monogram
Natürlich eiferte ich ihm auch darin nach, anfangs mit (preisgünstigen) Militarmodellen, meistens Flugzeuge, aber auch mit Autos (siehe auch hier). Mit zunehmenden Alter engagierte sich Martin stark in der Friedensbewegung mit dem Nebeneffekt, dass er Kriegsspielzeug zum No-Go erklärte. Ich erinnere mich dass er selbst aus seiner Kindheit noch Airfix-Militär LKWs in 1:72 besaß. Die entmilitarisierte er, indem er sie in den buntesten Farben umlackierte bevor er sie mir zum spielen überließ. Ich bin bei dieser "kein Militär" Doktrin gebleiben. Seine Oldtimer-Sammlung ging irgendwann in meinen Besitz über und zierten zunächst meine Regale. Mit zunehmendem Bestand an eigenen Modellen wanderten die Oltimer irgendwann in eine große Grabbelkiste. Diese Grabbelkiste wurde, als ich Anfang der Neunziger auszog, entsorgt. Ich Idiot! NATÜRLICH bereue ich den Verlust jener Grabbelkiste heute, da ich mich zu einem leidenschaftlichen Modellbauer entwickelt habe. Bestimmt hätte sich das ein oder andere Stück noch restaurieren lassen. Als Modellbausatz-Sammler halte ich bei meinen Suchanfragen im Netz immer Ausschau nach den Pretiosen meines Bruder (obwohl Vorkrieg nicht so mein Ding ist). Den ein oder anderen habe ich schon aufstöbern können und den oben im Bild winzig zu erkennenden Monogram Bugatti 35B habe ich sogar gebaut. Allerdings entstand der Bugatt nach meinem Gusto als Rennwagen und nicht als Sport Tourer, was im Wesentlichen bedeutet hat Lampen und Kotflügel weg zu lassen. Und, na ja, ich behaupte mal dass ich's heute ein bisschen besser kann als mein Bruder damals. Dem Bugatti werde ich vielleicht noch einen separaten Post widmen.


Mein Stolz: Bugatti 35B

50 Kubikzentmeter
Auch meine Leidenschaft für kleinvolumige Krafträder wurde mir von meinem lieben Bruder mitgegeben.
Ich war vier, mein Bruder vierzehn, da verkaufte er seine Carrerabahn um sich sein erstes Mofa zuzulegen, 200 Mark hat es gekostet: Eine Hercules mit Zweigang Automatik.

Numero Uno

Das allergrößte für mich war, wenn mein Bruder mich auf seinem Mofa mitnahm: Ich saß vorne auf der Sattelspitze, stützte mich, die Beine frei baumelnd, am Lenker ab und durfte sogar Gas geben! Das unglaubliche Glücksgefühl das wilde Stahlroß so zu beherrschen hat sich so tief in meinem Gedächtnis verankert, dass "Moped" für mich heute immer noch gleichbedeutend ist mit: Freiheit & Abenteuer.

Wer bracht schon eine Harley?
Solche Kapriolen fanden meine Eltern, speziell meine Mutter, natürlich garnicht lustig. Ich glaube mein Bruder hat amtlich Ärger deswegen bekommen. Daher hatte ich nicht allzu oft das Vergnügen. Mein Bruder hat mir aber auch erzählt, dass er den Kinderstuhl vom Fahrrad meiner Mutter auf dem Mofa montiert, und mich auf weitere Touren mitgenommen hat. Woran ich mich wiederum nicht erinnern kann. Das Gefühl des "selbst fahrens" hat wohl alles andere ausgelöscht.

Im Wesentlichen ist das der Katalog dessen, was mir auch heute noch das Herz schneller schlagen lässt. Wie man meinen Schilderungen entnehmen kann, bin ich durch frühkindliche Prägung zu einem nicht therapierbaren Fall geworden. Ich konnt nix dafür. Mein Bruder hat Schuld.

Danke Martin.


My life on wheels III: Große Freiheit Nr. 1

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